Freitag, 6. Juni 2014

Kampf

Die Wände werden immer mächtiger. Die Mauern immer höher. Der Abstand immer größer.
Denn in ihr Herz lässt sie niemanden mehr rein. Zu oft verletzt, zu sehr enttäuscht. Kein Vertrauen mehr, war sie ein Kind von Freude. Doch wer ist sie jetzt? Nach diesem Kampf, eine gefallene Kriegerin mit zu großen Wunden. Wer ist aus dem einst glücklichen Menschen geworden? Ein Engel ohne Flügel, ein Sommer ohne Sonne. Der Winter ihres Lebens, der nie zu enden scheint und so unendlich kalt ist. Verfroren ist Alles, was einst gelebt. Schwarzes Blut, Blut eines Schwanes, er tanzt, er tanzt, und dreht sich gegen die Welt, und sie hält nie an, sie wartet nicht, sie dreht bloß ihre Runden. Es ist der Tanz des Todes. Die einst Starke ist gefallen und liegt am Boden. Und schwarzes Blut fließt. Es ist nicht böse, aber es ist traurig. Sie atmet noch, zwar schwer und kaum merkbar, aber sie atmen. Sie hält sich an dem winzigen Faden fest, der sie noch am Leben hält, der sie bindet, an all das, was kaputt ist. Denn es war ein langer Winter, und die Krieger geh'n nach Haus, nur sie, sie liegt, sie liegt auf dem Schlachtfeld und schwarzes Blut ist überall. Eine Kämpferin ohne Visier, zu schnell, zu leichtsinnig, zu unüberlegt in irgendwas rein geraten. Und zu spät gemerkt, das dies der letzte Kampf sein wird. Unmöglich, das Spielfeld zu verlassen, kämpft sie den letzten Kampf bis ans bittere Ende weiter. Und sie hält verzweifelt an dem seidenen Faden fest, der sie an ihr Leben bindet, an all das, was kaputt ist. Der kalte Regen legt sich schmerzhaft auf ihre Wunden, tausend kleine Feuer entfachen in ihrem Körper. Sie liebt die Melodie, wenn der Regen auf die Erde fällt. Aber heute spielt er die Melodie des Todes, und spielt ein letztes Mal sein Stück. Ihr Herz schmerzt fürchterlich. Aber nicht, weil das offene Fleisch sie quält, sondern weil ihr Kopf sich so sehr an etwas zu fesseln versucht, was nicht mehr wiederherstellbar ist, was sie nicht mehr erreichen kann. Das Leben. Denn sie ist eine Kriegerin mit gebrochenem Gemüt, und ihre Knochen sind einfach müde, schwer und brüchig. Und ihr Körper resigniert. Unten sehen wollten sie die junge Frau, und jetzt liegt sie, inmitten von diesem ganzen Dilemma am Boden und fleht, sie bettelt nach einer Hand, die ihr auf dem letzten schweren Weg Halt gibt. Aber da ist keine Hand, und da ist niemand, der sie vermissen wird. Der Gegner war zu stark. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich nur noch schwer, es ist soweit, das Leben strömt wie Wind aus ihrem kleinen, schwachen Körper.
Der Regen spielt das Lied vom Tod und der Winter weicht dem ersten Frühling seit Jahren. Auf dem Schlachtfeld wächst allmählich Gras und Blumen. Die Bäume tragen Blüten und das Wasser taut auf. Die Sonne strahlt und Vögel zwitschern. Die Welt beginnt zu leben. Es ist ihre Welt.
Ihre Welt beginnt zu leben, denn es ist vorbei: Der tägliche Kampf gegen sie selbst.

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